Fiat 128 Sport Coupe 1973

Fiat 128 Coupé 1300 SL – der ökonomische Kurven-Flitzer

Wer anfangs der Siebzigerjahre ein sportliches Coupé kaufen wollte und nicht im Geld schwamm, für den war das Fiat 128 Coupé 1300 SL die erste Wahl, denn im Vergleich zur Konkurrenz war der hübsche Viersitzer günstiger und deutlich moderner.

Radikale Abkehr vom Vorgänger

Fiat konnte im Bereich der kompakten Sportcoupés gute Erfolge ausweisen, insbesondere um das Fiat 850 Coupé scharte sich eine treue Fangemeinde. Trotzdem sannen die Produktstrategen in Turin nach dem richtigen Nachfolger. Und sie wandten sich in geradezu radikaler Weise vom bisherigen Konzept ab, denn der 850 hatte den längs eingebauten Vierzylinder im Heck gehabt, die angetriebenen Räder waren hinten und preislich befand sich der kompakte Sportwagen am unteren Ende der Fahrzeuggattung.

Der Neuling, der am Turiner Autosalon im Herbst 1971 präsentiert wurde, hingegen wies einen quer eingebauten Frontmotor auf, übertrug die Kraft über die Vorderräder auf die Strasse und war eine ganze Klasse höher angeordnet, schliesslich war er rund 20 Zentimeter länger und sechs Zentimeter breiter, vor allem aber war der Hubraum um 200 bis 400 cm3 gewachsen.

Bewährte Technik der 128 Limousine

Ganz bei Null mussten die Fiat-Ingenieure beim Coupé nicht beginnen, denn schliesslich war die von Dante Giacosa entwickelte Fiat 128 Limousine bereits im März 1969 vorgestellt worden und im Jahr 1970 mit dem Titel “Auto des Jahres” geehrt worden.

Die Technik des kleinen Käfergegners konnte dann auch weitgehend im Coupé weiterverwendet werden, schliesslich war sie noch brandneu und mit Einzelradaufhängungen vorne wie hinten auch noch brandaktuell. Die eingesetzten vorderen McPherson-Federbeine und die Dreieckslenker hinten sollten sich noch über Jahrzehnte als Stand der Technik erhalten, der moderne Vierzylinder mit Leichtmetallkopf und obenliegender Nockenwelle trieb noch Jahre nach dem Ableben des 128 die verschiedensten Fiat-Modelle an. Auch die gemischte Bremsanlage mit Scheiben vorne und Trommeln hinten galten noch viele Jahre als praxistaugliche Lösung, immerhin erhielt das Coupé eine Brems-Servo.

Praktische Karosserie

Das Karosseriekleid des Zweitürers entstand bei Fiat selber. Die Automobil Revue beschrieb es bei der Vorstellung so: “Die jüngste Schöpfung der Fiat-Werke präsentiert sich in einer modernen und zugleich betont aggressiv wirkenden Form. Der nach den letzten Styling-Erkenntnissen eingekleidete Kleinsportwagen kennzeichnet sich durch die Rechteckformen betonende Frontpartie, die durch geradlinige Kanten aufgelockerten Seitenflächen, die gegen hinten ansteigenden unteren Fensterlinien sowie das auf einer relativ breiten Basis abgeschnittene Fastbackheck.”icht allen gefiel die Liniengebung des Wagens, vor allem der nicht mehr ganz moderne Hüftschwung und die nach hinten unübersichtliche Form wurden kritisiert. Sie hatte aber praktische Vorzüge, denn der Kofferraum hatte mit ungefähr 350 Litern Limousinenausmasse und war dank der niedrigen Ladekante (keine Heckklappe!) gut beladbar. Die Raumausnutzung war trotz 3,8 Meter Kürze für ein Coupé gut gelungen, der deutlich längere Ford Capri bot nicht mehr Platz für die Fondpassagiere.

Zwei Ausführungen, zwei Motoren

Angeboten wurde das neue Coupé in der Standard- (S) und der Luxusausführung (SL) sowie mit zwei Motoren von 1,1 oder 1,3 Litern Hubraumvolumen. Hierzulande erwies sich die sportlichere 1300 SL Variante als am erfolgreichsten, wohl auch weil sie mit ihren Doppelscheinwerfern, dem zusätzlichen Chromzierrat, Sportfelgen und der besseren Innenausstattung deutlich schmucker daher kam. Und auf einen Drehzahlmesser wollte ein Sportfahrer sowieso nicht verzichten und die fehlte eben in der S-Variante.

Bild Fiat 128 Coupé 1300 SL (1973) - quer eingebauter Vierzylinder, Reserverad im Motorraum

Fiat 128 Coupé 1300 SL (1973) – quer eingebauter Vierzylinder, Reserverad im Motorraum

Copyright / Fotograf: Daniel Reinhard

Leistungsmässig war die Differenz zwischen 1100 und 1300 nominell gar nicht so gross, der kleinere Motor produzierte 64 DIN-PS bei 6600 Umdrehungen, der 1300-er 75 DIN-PS bei 6600 U/min, natürlich zog der grössere Motor noch etwas besser. Hohe Drehzahlen waren bei beiden kurzhubig ausgelegten Triebwerk sowieso nicht die Ausnahme sondern die Regel, das Aggregat vertrug in der Praxis Drehzahlen, die bereits weit im roten Bereich lagen.

Günstig

Das Topmodell 1300 SL kostete in 1971 in Deutschland DM 8780, in der Schweiz CHF 11’900. Der Einstieg war aber mit dem 1100 S auch schon bei DM 7780 oder CHF 10’000 möglich. Die Konkurrenz konnte ähnliches nicht für weniger Geld leisten, im Gegenteil: Ein Ford Capri 1700 GT kostete DM 9310, ein Opel Manta 1.6  DM 8875, ein Alfa Romeo 1300 GTJ stand für DM 13290 in der Preisliste, ein Lancia Fulvia Coupé 1.3 S für DM 11900. Die hausinterne Konkurrenz Fiat 128 Rally kriegte man als Limousine allerdings bereits für DM 7440, ein Fiat 850 Coupé war ebenfalls für weniger zu haben.

Besser als die teurere Konkurrenz

Besser ausgestattet war die Konkurrenz dabei nicht, schneller auch nicht, denn der quirlige Fiat beschleunigte im Test von Auto Motor und Sport im Mahr 1972 in 12,2 Sekunden von 0 bis 100 km/h und erreichte eine Spitze von 167,4 km/h. Die Automobil Revue war sogar noch schneller unterwegs und stoppte kalibrierte 170 km/h Höchstgeschwindigkeit.

Bild Fiat 128 Sport Coupé (1974) - in SL-Konfiguration mit Doppelscheinwerfern und in S-Konfiguration mit einfachen Rechteckscheinwerfern

Fiat 128 Sport Coupé (1974) – in SL-Konfiguration mit Doppelscheinwerfern und in S-Konfiguration mit einfachen Rechteckscheinwerfern

Archiv Automobil Revue

Trotz der hohen Drehzahlen und beeindruckenden Fahrleistungen genehmigte sich der Fiat nicht ungebührliche Mengen des benötigten Superbenzins. Schon mit acht Litern liess sich der Wagen flüssig fahren und selbst im Testbetrieb liefen nicht mehr als 10,3 Liter (Automobil Revue) respektive 10,7 Liter (AMS) pro 100 km durch den Weber Fallstromvergaser des Typs 32 DKTR. Da reichte der 50-Liter-Tank meist für 500 km und mehr, eine gute Reichweite für die Zeit.

Ein gelungenes Produkt

Dass die guten Fahrleistungen etwas Toleranz von den Insassen forderten, lässt sich angesichts der nötigen Drehzahlen leicht erahnen. Doch die befriedigende Laufkultur des Motors, das unproblematische Fahrverhalten und der ausreichende Komfort überzeugten die Testfahrer.

“Insgesamt ist es Fiat erneut gelungen, eine ausgezeichnete Mischung guter Eigenschaften zu finden. Zwar besticht der Fiat 128 Sport nicht auf Anhieb jeden Betrachter durch besonders elegante Formen, imponierende Abmessungen und einen in dieser Preisklasse überdurchschnittlichen Prestigewert, aber seine Fahrleistungen distanzieren ihn deutlich von allen gleichteuren Coupés. Sie entsprechen weit mehr dem, was im allgemeinen Automobile dieses Schlages erst im Preisbereich oberhalb von 10’000 Mark zu bieten haben”, schrieb Clauspeter Becker in seinem Testbericht für AMS, während die Tester der Automobil Revue sich zu folgendem Resümee einigen konnten: “In seiner jüngsten Form als Coupe 1300 hat der Fiat 128 hinsichtlich Brillanz und Persönlichkeit stark gewonnen. Er verkörpert ein repräsentatives zwei- bis knapp viersitziges Fahrzeug, das sich seiner doch eher gedrungenen Platzverhältnisse wegen insbesondere für Jugendliche oder ein Elternpaar mit zwei Kleinkindern eignet und hinsichtlich Originalität der Form, Fahrleistungen und Fahrsicherheit die Grenzen seiner Preis- und Hubraumklasse sprengt.“

Keine blütenweisse Weste

Allerdings erntete das Fiat Coupé auch kritischere Kommentare. Vor allem die ADAC Motorwelt äusserte sich in ihrem Test im Jahr 1972 recht kritisch in den Bereichen Sicherheit (Gurtverankerung), nicht serienmässigen, aber nötigem Zubehör (Heckscheibenheizung) und veralteten Bedienungseinrichtungen (Gummiball für die Scheibendusche). Der Testfahrer erhielt wohl auch noch eins an die Ohren, denn er schrieb: “Mit tauben Ohren (wegen des lauten Motors, Anmerkung der Redaktion), aber frohem Herzen stößt der Pilot am Ziel die Tür auf – sie öffnet sich halb, federt zurück und versetzt dem Aussteigenden zum Dank eine saftige Ohrfeige.”

Bild Fiat 128 Sport Coupé (1974) - Vordersitze

Fiat 128 Sport Coupé (1974) – Vordersitze

Archiv Automobil Revue

Die positiven Kommentare überwogen aber eindeutig, doch die Konkurrenz wuchs schnell und konnte manches besser, wie ein Vergleich der Zeitschrift “hobby” im Jahr 1975 zeigte. Inzwischen gehörte der VW Scirocco zu den schärfsten Widersachern und er war fast nach demselben Rezept gebaut wie der 128-er, wies aber eine Heckklappe und umklappbare Hintersitze auf und bot ähnliche Fahrleistungen wie der Turiner. Vor allem aber wog er noch fast 50 kg weniger als der Italiener und bot bei ähnlichen Aussenmassen eine ähnliche Raumausnutzung.

Nur vier Jahre gebaut

So ging die Zeit des Fiat 128 1100/1300 Coupés schneller zu Ende als erwartet, doch ein Nachfolger stand 1975 schon bereit, er hiess Berlintta 3P und er wies eine vorne wenig, hinten aber deutlich veränderte Karosserie mit flach auslaufender Gürtellinie und Heckklappe auf. Bis 1979 wurde die modifizierte Variante als 1300-er mit zuerst 75, dann 73 PS (64, respektive 65 PS mit dem 1100-er-Motor) gebaut. Dann war Schluss und Pause.

Bild Fiat 128 3P (1976) - 3 Porte mit umklappbarer hinteren Sitzbank - Genfer Autosalon 1976

Fiat 128 3P (1976) – 3 Porte mit umklappbarer hinteren Sitzbank – Genfer Autosalon 1976

Archiv Automobil Revue

1980 war es nach insgesamt rund 330’000 produzierten 128 Coupés (inkl. 3P) auch um die Berlinetta geschehen und es sollte 14 Jahre dauern, bis Fiat wieder ein reinrassiges kompaktes Sportcoupé präsentierte, nämlich den ungewöhnlichen Wurf von Chris Bangle.

Rennsportambitionen

Im Rennsport sollte das Frontmotorcoupé allerdings noch bis in die Achtzigerjahre aktiv bleiben. Begonnen hatte die Rennkarriere bereits 1972, als Mikes Parkes zusammen mit Trivallato in Italien für die Scuderia Filippinetti ein Coupé mit Vierventilkopf und Kugelfischer-Einspritzung aufbauten, das mit seinen Verbreiterungen nicht nur kampfbereit aussah, sondern mit seinen 190 PS auch ziemlich schnell war.

Bild Fiat 128 Coupé (1972) - Gruppe-2-Auto der Scuderia Filipinetti

Fiat 128 Coupé (1972) – Gruppe-2-Auto der Scuderia Filipinetti

Archiv Automobil Revue

Es war dies bereits das zweite Fiat-128-Projekt der Scuderia Filippinetti, bereits vorher hatte man der 128 Limousine zu Rennsportchancen verholfen. Das Coupé war zwar schnell, richig erfolgreich war es aber in der Europäischen Tourenwagenmeisterschaft, wo es eingesetzt wurde,  nicht. Ausser einer einer schnellsten Runde im Qualifikationstaining am Nürburgring war die beste Platzierung  die vierte Position in seiner Klasse, der Alfa 1300 GTA war nicht zu schlagen.

Es gab auch noch Gruppe-2-Versionen, die es durchaus mit dem Alfa Romeo 1300 GTA Junior aufnehmen konnten.

Überlebt und wie!

Fiat 128 Coupés der ersten Generation im Originalzustand sind heute ähnlich selten wie mancher italienische Exote. Dass wir also an einem schönen Herbstnachmittag vor einem 1300 SL in Grün und mit garantierten 19’469 km Laufleistung stehen, grenzt fast an ein Wunder.

Bild Fiat 128 Coupé 1300 SL (1973) - griffiges Lenkrad und Kunstledersitze

Fiat 128 Coupé 1300 SL (1973) – griffiges Lenkrad und Kunstledersitze

Copyright / Fotograf: Daniel Reinhard

Der Charme des Siebzigerjahre-Coupés erfasst uns sofort. Kunstledersitze, viel Plastik im Innenraum, ein griffgünstiges Lenkrad und die beiden übersichtlichen Hauptinstrumente für Geschwindigkeit und Drehzahl (roter Bereich ab 6800 Umdrehungen) im Auge, greifen wir zum Zündschloss und starten den Vierzylinder im Bug. Die rechte Hand legt den ersten Gang ein und los geht’s.

Bild Fiat 128 Coupé 1300 SL (1973) - alle wichtigen Informationen auf einen Blick

Fiat 128 Coupé 1300 SL (1973) – alle wichtigen Informationen auf einen Blick

Copyright / Fotograf: Daniel Reinhard

Das Vierganggetriebe lässt sich knackig schalten, schliesslich hatten die Fiat-Leute schon damals einiges für die Verbesserung der Schaltbarkeit gemacht. Die Sicht nach vorne und nach der Seite ist optimal, nach hinten etwas kompromissbehaftet.

Keine Fragezeichen

Mit dem Fiat 128 1300 SL kommt jeder auf Anhieb zurecht, die Bedienungselemente mögen teilweise etwas anders angeordnet sein als bei modernen Autos, viel Umgewöhnung ist trotzdem nicht nötig. Kraftzehrend sind weder Lenkung noch Pedalerie, der Motor röchelt freudig im Bug. Als Lärm kann man dieses Geräusch eindeutig nicht bezeichnen. Die Kräfte des Vierzylinders reichen für zügiges Vorkommen, mit modernen Autos kann man mit einem Leistungsgewicht von rund 11 kg pro PS natürlich nicht mehr konkurrieren.

Bild Fiat 128 Coupé 1300 SL (1973) - lässt sich auch heute noch sportlich fahren

Fiat 128 Coupé 1300 SL (1973) – lässt sich auch heute noch sportlich fahren

Copyright / Fotograf: Daniel Reinhard

Aber will das schon mit einem Klassiker, der viele freundliche Blicke vom Strassenrand anzieht und mit seinen Doppelscheinwerfern und den grosszügig gestalteten, stehenden Rückleuchten so herrlich nostalgisch aussieht?

Wir danken der Firma allcarta , die uns den jugendlich erhaltenen Fiat 128 1300 SL für eine Probefahrt zur Verfügung stellte.

Weitere Informationen